Geschichtliches
In Japan zeichneten buddhistische Mönche schon ab dem 6. und 7. Jahrhundert Bildergeschichten auf Papierrollen. Das bekannteste dieser Werke ist die erste Chojugiga (Tierrolle) von Sojo Toba (1053-1140), eine Satire, in der sich Tiere wie Mönche benehmen. Im 13. Jahrhundert begann man, Tempelwände mit Zeichnungen von Tieren und vom Leben nach dem Tod zu bemalen. Diese Darstellungsform wurde im 16. Jahrhundert auf Holzschnitte übertragen, wobei auch Zeichnungen aus dem Alltagsleben bis hin zu erotischen Bildern hinzukamen.
Aus solchen einzelnen Holzschnitten entstanden im frühen 18. Jahrhundert die so genannten Toba-e: Bücher, in denen schwarz-weiße Holzschnittdrucke mit integriertem Text fortlaufende Geschichten bildeten und die hauptsächlich satirischen oder lustigen Inhalt hatten. Im 19. Jahrhundert waren Toba-e die beliebteste Lektüre in Japan.
Eine andere Form der Holzschnittkunst waren Ukiyo-e, die sich im späten 17. Jahrhundert entwickelten und die in Einzelbildern das unbeschwerte Leben bis hin zu sexuellen Ausschweifungen zum Inhalt hatten. Der Begriff "Manga" wurde erstmals vom Ukiyo-e-Meister Hokusai (1760-1849) verwendet. Die Hokusai-Manga sind Skizzen, die in insgesamt 15 Bänden veröffentlicht wurden und keine zusammenhängende Geschichte erzählen, sondern Momentaufnahmen der japanischen Gesellschaft und Kultur zur Zeit der späten Edo-Periode (1603-1867) darstellen.
Mit der zunehmenden Öffnung Japans nach außen gewann gegen Ende des 19. Jahrhunderts das amerikanische Verlagswesen an Einfluss: Neben neuen, verbesserten Drucktechniken ließ man sich von US-Karikaturen und den gerade neu entstehenden amerikanischen Comic Strips inspirieren (z. B. zu dem ab 1887 erscheinenden japanischen Satiremagazin Tobae). Trotz zunehmender Einschränkungsversuche durch die japanische Regierung konnten sich solche graphischen Veröffentlichungen in Japan bis zum Zweiten Weltkrieg halten.
Schon bald nach dem Krieg gründeten sich zahlreiche neue Kleinverlage. Der einflussreichste Wegbereiter des modernen Manga war der Arzt Osamu Tezuka (1928-1989), der nebenher als Zeichner für einen dieser Kleinverlage arbeitete. Beeinflusst vom Stil der frühen Disney-Zeichentrickfilme und von deutschen und französischen Filmen, gab er Anfang der 50er-Jahre seinen Beruf auf und entwickelte nicht nur die Grundlagen des heutigen Manga-Stils, sondern auch die Basis für die moderne Anime-Industrie. Von den Manga-Fans hat er deshalb für seine Verdienste den Ehrentitel Manga no Kamisama (Gott des Manga) verliehen bekommen.
Moderne Manga
Die meisten modernen Manga sind eher bild- als textlastig (es gibt natürlich auch Ausnahmen). Sie sind vor allem in schwarz-weiß gehalten und werden entsprechend der traditionellen japanischen Leserichtung von "hinten" nach "vorne" und von rechts nach links gelesen. In Japan vorherrschende Erscheinungsweisen von Manga sind:
Verbreitung in Japan
Mit der Zeit haben sich verschiedenste Untergruppen für nahezu jede Zielgruppe herausgebildet, unterteilt z. B. nach Alter (von Kleinkind-Manga bis zu "Silver Manga" für Senioren), sexueller Orientierung oder Hobbys. Bei heranwachsenden Jugendlichen wird beispielsweise zwischen Themen für Mädchen (Shojo) und für Jungen (Shonen) unterschieden, diese Abgrenzungen sind außerhalb Japans allerdings weniger scharf. Manga-Stilmittel finden auch jenseits des reinen Geschichtenerzählens breite Anwendung, z. B. in Form von Kochbüchern oder Bedienungsanleitungen mit bildlichen Darstellungen.
Genaue Erläuterung:
Shojo-Mangasind japanische Comics, die speziell für heranwachsende Mädchen gezeichnet werden. Darin geht es um große Gefühle wie die erste Liebe, Liebeskummer, Lovestorys, Freundschaften und Geschichten mit schönen Jungen, die man anhimmeln kann. In ihrer extremsten Form quellen Shojo-Manga über vor rosa Seiten, Blumenranken, niedlichen, rüschig ausstaffierten Mädchen mit übergroßen, glänzenden Augen, in denen sich die Gefühle spiegeln, und Figuren mit überlangen Beinen und sich über die ganze Bildfläche ausbreitendem wallendem Haar. Großaufnahmen der Hauptfigur, lang gestreckte, angeschrägte Bildrahmen und dekorative Elemente im Hintergrund unterscheiden das Erscheinungsbild eindeutig von Shonen-Manga. Ein ungeschriebenes Gesetz scheint zu sein, nichts Hässliches darzustellen, sogar die bösen Charaktere sind schön. Als erster offizieller Shojo-Manga gilt "Ribon no Kishi" (Der Ritter mit den Schleifen, 1953) von Osamu Tezuka, dem Begründer des modernen Manga. Bekannte Beispiele für Shojo-Manga sind Sailor Moon, Wedding Peach, Card Captor Sakura und Weiss Kreuz.
Eine beliebte Unterkategorie von Shojo-Manga sind Shonen-Ai-Manga, die sich der gleichgeschlechtlichen Liebe zwischen Jungen widmen. Unter Shonen Ai verstehen Fans eine übliche Bezeichnung für Anime und Manga, in denen es um Liebesbeziehungen zwischen Jungen geht. Zielgruppe sind hier natürlich die Mädels. In Japan ist der Ausdruck weniger gebräuchlich, bzw. wird sehr spezifisch nur für Liebesgeschichten zwischen sehr jungen Protagonisten im Stil des Genreklassikers Kaze to Ki no Uta von Takemiya Keiko benutzt. Als Oberbegriff für Geschichten mit männlich-homosexuellem Inhalt wird in Japan June verwendet.
Shonen-Manga sind japanische Comics, die speziell für heranwachsende Jungen gezeichnet werden. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf Action und Kampf, gegen Monster und böse Mächte, aber auch gegen reale Alltagsprobleme. Oft handeln Shonen-Manga von ganz normalen Kindern, die plötzlich zu Superhelden werden und mit ihren Superkräften ihre Freunde oder sogar die ganze Welt retten. Ein weltweit bekannter Vertreter des ?klassischen? Shonen-Manga ist die Serie Dragonball. Eine beliebte Unterkategorie von Shonen-Manga (vor allem bei älteren Jungen) sind Shojo-Ai-Manga, die sich der gleichgeschlechtlichen Liebe zwischen Mädchen und Frauen widmen.
Manga als Wirtschaftsfaktor
Manga sind eine der Hauptsäulen des japanischen Verlagswesens. Im Jahr 2002 machten sie 38,1 % aller Drucksachen in Japan aus, wovon knapp 28 % auf Manga-Magazine und knapp 11 % auf Manga-Taschenbücher entfielen (in Deutschland umfassen Comics nur ca. 3 % aller Drucksachen).
Die Gesamtauflage aller Manga in Japan wird auf über hundert Millionen Exemplare pro Monat geschätzt - während durchschnittliche Serien mit einer Startauflage von 300.000-500.000 Exemplaren pro Taschenbuch in den Handel kommen, erreichen die erfolgreichsten Einzelbände teilweise Erstauflagen im Millionenbereich (z. B. wurde im Juli 2002 von Band 24 der Serie One Piece die Rekordzahl von 2,52 Millionen Exemplaren gedruckt). Shonen Jump, das erfolgreichste Manga-Magazin, erlebte 2002 mit durchschnittlich 3,2 Millionen verkauften Exemplaren pro Woche sogar einen Rückgang gegenüber den vorhergehenden Jahren.
Statistisch gesehen kauft jeder Japaner pro Jahr 15 Manga (Deutschland: 0,25 Comics pro Kopf und Jahr). Dies spiegelt sich in den Umsatzzahlen wider: 2002 lagen die Gesamteinnahmen bei Manga-Magazinen bei ca. 275 Milliarden Yen und bei Manga-Taschenbüchern bei ca. 250 Milliarden Yen (zusammen etwa 4 Milliarden Euro).
Manga-Zeichner
Professionelle Autoren von Manga werden Mangaka genannt. Neben dem bereits erwähnten Osamu Tezuka sind z. B. CLAMP, Rumiko Takahashi, Akira Toriyama und Masamune Shirow weitere international bekannte Mangaka.
Der Begriff setzt sich zusammen aus dem Wort Manga und der Endung -ka im Sinne von "Macher" oder "Schöpfer". Die meisten Mangaka zeichnen nicht nur ihre Geschichten, sondern schreiben auch den dazugehörigen Text. In Japan sind Mangaka eine eigene Berufsgruppe.
Es gibt in Japan etliche Möglichkeiten, ein/e professionelle/r Mangaka zu werden. Die häufigsten sind:
- Teilnahme an einem der regelmäßig ausgeschriebenen Zeichenwettbewerbe von Manga-Verlagen, wobei den Siegern Veröffentlichungen in professionellen Magazinen und zeitlich befristete Verträge winken. Manchmal muss man solche Wettbewerbe nicht einmal gewinnen: Immer wieder erhalten zusätzlich auch Zeichner/innen eine Chance, die z. B. schlechte Storys schreiben, aber dafür einen herausragenden Zeichenstil haben.
- Einsenden von Präsentationsmappen mit selbst gezeichnetem Material an einen Verlag. Die Chance, dabei entdeckt zu werden, ist allerdings nicht groß: Pro Monat erhält jeder japanische Manga-Verlag Tausende von Bewerbungen.
- Veröffentlichen von selbst gezeichneten Fan-Manga (Dojinshi) im Eigenverlag. Zahlreiche professionelle Mangaka haben als Dojinshi-Zeichner begonnen, und in Japan ist daraus mittlerweile eine eigene Manga-Subkultur entstanden: Auf regelmäßigen Dojinshi-Messen stellen Hobbyzeichner ihre neuesten Werke vor, die entweder Eigenerfindungen oder Anlehnungen an bekannte kommerzielle Serien sind. Die größte Dojinshi-Messe Japans (und zugleich die größte Comic-Veranstaltung der Welt) ist der zweimal im Jahr statt findende Comic Market (Comiket) in Tokyo mit ca. 50.000 Ausstellern und über 600.000 Besuchern. Viele Manga-Verlage schicken auf der Suche nach neuen Talenten "Scouts" auf solche Messen.
Ist man von einem Manga-Verlag akzeptiert worden, durchläuft man anschließend mehrere Stufen einer festgelegten Hierarchie. Zunächst beginnt man als Assistent in einem Zeichnerteam, das für einen bekannten Mangaka arbeitet (die wenigsten erfolgreichen Manga-Serien stammen von Einzelzeichnern). Die häufigsten "Anfängerarbeiten" sind dabei das Gestalten und Zeichnen von Bildhintergründen und das Einfügen von Rasterungen in die Bilder. Mit zunehmender Erfahrung, ausreichendem Talent und zuverlässiger Arbeitsweise bekommt man immer wichtigere Aufgaben innerhalb des Teams übertragen, zugleich hat man auch die Chance auf selbstständige kleinere Manga-Projekte. Für die meisten geht es danach allerdings nicht mehr weiter: Nur wenige Zeichner/innen schaffen den Sprung zu namentlich bekannten und berühmten Mangaka mit eigenen, lang laufenden Manga-Serien und eigenen Teams.